*** Brasilien *** 
  Freitag 22. Januar 1999, 17:21 Uhr
  Kursverfall des Real belastet Finanzmärkte
  Frankfurt - Der fortgesetzte Kursverfall der brasilianischen Währung Real hat am Freitag die internationalen Finanzmärkte belastet. Auf breiter Front gaben die Kurse der Aktien nach Angaben von Händlern am Morgen in Europa und Asien nach und folgten damit der schwachen Vorgabe aus New York. Verstärkt flossen damit auch wieder Gelder in den europäischen Anleihemarkt. Der Real begann im frühen Geschäft gegenüber dem Dollar auf einem neuen Allzeittief von 1,74 Real je Dollar, was nach Angaben von Händlern die Zentralbank in Brasilia zu Stützungskäufen veranlaßte. 
  Der Wechselkurs des Real ist seit rund einer Woche freigegeben. Seither hat die brasilianische Währung rund 30 Prozent an Wert verloren. Die Verabschiedung einer Rentenrefrom durch das Parlament in dieser Woche konnte den Kapitalabfluß nicht aufhalten. Täglich fließen 300 bis 400 Millionen Dollar aus Brasilien ab. Die Börse in Sao Paulo unterbrach am Donnerstag ihren Erholungstrend der vergangenen Tage. Der Bovespa-Index für die größten brasilianischen Unternehmen fiel um 4,6 Prozent. Brasiliens Finanzministerium versicherte unterdessen, daß das Land seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen werde. 
  Mit dem Vorschlag, die Landeswährung durch den Dollar zu ersetzten, hofft unterdessen Argentinien, gar nicht erst in die Schußlinie möglicher Spekulationen zu geraten. In Washington hieß es allerdings, formelle Gespräche darüber gebe es noch nicht. Derzeit ist Argentiniens Landeswährung über ein Währungsregime (Curreny Board) an die US-Währung gekoppelt. Dadurch ist gesetzlich festgeschrieben, daß jeder Peso durch einen Dollar gedeckt ist. 
  Viele Analysten und Börsianer fürchten, daß nach der Abwertung des brasilianischen Real der Druck auf andere Währungen von Schwellenländern wachsen wird. Neben den lateinamerikanischen Währungen werden der chinesische Yuan und der Hongkong-Dollar am häufigsten genannt. Gerüchte, eine Abwertung des Yuan stehe bevor, trieben über Nacht den US-Dollar gegenbüer den Yen auf mehr als 114 Yen je Dollar. Im Verlauf bröckelte der Dollar aber wieder ab, was Händler auf die Brasilienkrise zurückführten. 
  In Europa tendierten am Morgen sämtliche großen Börsen schwächer. Die Kursabschläge reichten von zwei bis 3,5 Prozent. Wegen ihren Engagements in Lateinamerika waren einige spanische Bankentitel wie Santander und BCH besonders stark unter Druck. Daher fiel das spanische Kursbarometer Ibex 
  mehr als die übrigen europäischen Indizes. In London gehörten die Aktien des Index-Schwergewichts HSBC zu den größten Verliereren. Im deutschen Aktienhandel litten die Autowerte am deutlichsten unter der Brasilienkrise. VW , die in Brasilien engagiert sind, verloren 4,6 Prozent. Der Deutsche Aktienindex rutschte bis kurz nach 13.00 Uhr um 2,7 Prozent auf 5025. 
  An den internationalen Devisenmärkten fielen die Kursreaktionen gelassen aus. Der Dollar profitierte von den asiatischen und der Yen von lateinamerikanischen Sorgen, was sich in etwa die Waage hielt. Der Euro verhielt sich per saldo gegenüber dem Dollar neutral. Im Euro-FX der öffentlichen Banken wurde der Referenzkurs gegenüber dem Dollar nahezu unverändert mit 1,1571 (Vortag 1,1566) Dollar festgestellt. Zum Yen gewann der Euro aber angesichts der Gerüchte über den Yuan an Wert und kletterte auf 131,80 (130,27) Yen. 
  Als sicherer Hafen empfahlen sich unterdessen wieder die europäischen Anleihen. Der im Euro-Rentenmarkt am meisten beachtete Bund-Future stellte zeitweise ein Allzeithoch von 117,77 Punkten auf. Die Umlaufrendite aller öffentlicher Anleihen in Deutschland fiel auf das Allzeittief von 3,48 (Vortag 3,52) Prozent.   |