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To: John Sladek who wrote (249)1/21/2001 10:15:02 AM
From: John Sladek  Read Replies (1) | Respond to of 364
 
Ausgabe Nr. 20/99, 20.5.1999

Mit Gottes Koordinaten zum Öl
Dank Millionenspenden und biblischer Hilfe bohrt ein Texaner im Heiligen Land

Von Pierre Heumann


Erdölprophet: Hayseed Stephens will Israel wirtschaftlich unabhänig machen
Am Ende des Gesprächs ergreift Hayseed Stephens freundlich lächelnd die Hand des Journalisten und blickt ihm tief in die Augen. «Wir wollen zusammen beten, damit der Artikel in Ihrer Zeitung eine positive Wirkung hat», fordert er ihn auf und präzisiert: «Positiv für Gott, nicht für mich.» Dann nimmt er seinen weissen Texanerhut mit den breiten, leicht nach oben gewölbten Rändern in die Hand und verstummt, bevor er sich herzlich verabschiedet und im «Hyatt»-Hotel von Jerusalem verschwindet
Der Amerikaner Stephens besucht das Heilige Land nicht nur aus religiösen, sondern auch aus geschäftlichen Gründen. Seit über vierzig Jahren ist er in der Erdölbranche; in der Gegend von Fort Worth hat er eine Ölfirma mit rund 25 Angestellten. Zur Expansion nach Israel hat ihn die Bibel gedrängt. Stephens ist sicher, am Ufer des Toten Meers Rohöl zu finden. Er, der früher der Southern Baptist Church angehörte und heute seine eigene Gemeinde hat, glaubt «hundertprozentig an das Wort im Alten und Neuen Testament». Um potentielle Investoren davon zu überzeugen, listet er über zwanzig Bibelzitate auf, die er wortwörtlich nimmt und die, so schwärmt er, belegen, dass unter dem öden Ufer des Toten Meeres Reichtümer schlummern. Der Texaner, der mit der Bibel in der Hand nach dem schwarzen Gold sucht, ist sich seiner Sache sicher, hat ihm doch kein Geringerer als Gott die exakten Koordinaten offenbart. Seit einem halben Jahr hat er auch den Segen der israelischen Bürokratie, und im Millenniumsjahr soll’s losgehen.
Um den heiligen Charakter des Unternehmens zu untermauern, hat der Texaner dem Bohrloch einen himmlischen Namen gegeben: «Elohim Porzim», was sich frei mit «sprudelnd ausbrechender Gott» übersetzen lässt. Auch seine Firma hat einen (teilweise hebräischen) Namen, der an die übersinnlichen Kräfte erinnern soll: «Ness Energy», was soviel wie «Wunder-Energie» heisst.
Trotz göttlicher Inspiration hilft Stephens dem erhofften Wunder etwas nach. Mit der Hilfe von Geologen und Seismologen hat er die Beamten im zuständigen israelischen Ministerium überzeugt, dass er nicht «meschugge», sondern durchaus urteilsfähig ist. Der Texaner ist nicht der erste, der in Israel nach Öl sucht – aber es wurden bisher nur kleine Mengen gefunden.
Das soll sich nun ändern: «Sehen Sie», erklärt Stephens dem Laien sein Vorhaben anschaulich, indem er in der Hotelhalle sein halbvolles Coca-Cola-Glas vor sich hinhält, «wenn Sie das Röhrchen nicht tief genug ins Glas stecken, schlürfen Sie im Leeren, obwohl es im Glas Coca-Cola hat. Genau diesen Fehler hat man bisher gemacht: Man ist bloss bis auf 6200 Meter gegangen. Wir bohren nun bis auf 9100 Meter. Dort stossen wir auf riesige Vorkommen.» 18 Milliarden Fass sollen es sein, vielleicht sogar 50 Milliarden, hofft Stephens.
Der 61jährige fand erst vor zwanzig Jahren zum Glauben. Vorher hielt er es eher mit weltlichen Vergnügen, welche er so intensiv und ausschweifend genoss, dass er fast alle Gefängnisse in Texas und in Mexiko kennenlernte, wo er etliche Strafen wegen Trunkenheit am Steuer oder wegen Schlägereien absitzen musste. Die Wende in seinem sündhaften Leben trat am 16. Januar 1978 ein, als er vierzig Jahre alt war: Jesus offenbarte sich ihm. Er solle sich sofort Gott zuwenden. Zusammen mit seiner Familie ging der reuige Stephens nach wenigen Tagen in die Kirche, um seinen Weg zu korrigieren. Als der Priester ihn sah, sei er fast ohnmächtig geworden – so berüchtigt soll Stephens damals für seinen frevelhaften Lebenswandel gewesen sein. «Ich mache eben alles gründlich. So wie ich dem Teufel von ganzem Herzen diente, so stelle ich nun mein Leben ganz in den Dienst Gottes.»
Er wusste von Anfang an, was das bedeutet, war er doch in seiner Jugend streng religiös erzogen worden. Drei Mal die Woche musste er als Kind zum Gottesdienst, weil ihn seine Mutter vor der Geburt bereits Gott versprochen hatte. Seine Eltern waren arme Leute, der Vater verdingte sich auf den Feldern von Grossgrundbesitzern. Gegen dieses frömmlerisch-arme Umfeld rebellierte er, als er 18 Jahre alt war. Er wollte nicht sein Leben lang Tagelöhner sein, und von der Kirche hatte er auch genug. Der Provinzjunge zog in die nächstgrössere Stadt, nach Abilene, Texas, wo er sich mit Gelegenheitsjobs durchschlug. Später übersiedelte er nach New York, spielte bei den New York Titans Football («Gott hat mir eine athletische Statur gegeben») und brachte es erstmals zu viel Geld.

Von der Spielhölle ins Paradies
Zusammen mit einem Partner kehrte er nach Abilene zurück, um in seinem Heimatstaat Texas nach Erdöl zu suchen. Manchmal habe er Erfolg gehabt und mehrere Millionen eingenommen, die er dann aber meistens, Gott sei’s geklagt, in den Spielhöllen von Las Vegas verspielte. Auch im Geschäft war er ein Hasardeur, ging mehrere Male bankrott und verlor dabei alles. «Mein Lebenswandel gefiel dem Teufel», sagt Stephens heute, «Geld war mein Gott. Mein Fleisch genoss es, doch meiner Seele ging es miserabel.» Wobei sein Lachen verrät, dass er sich nicht ungern an jene Zeit erinnert.
Seit der religiösen Umkehr ist es mit dem lasterhaften Leben vorbei. Stephens dient nur noch Gott. Auch sein geschäftliches Engagement sieht er konsequent in einem grösseren, religiösen Zusammenhang, seit der israelische Premierminister Menachem Begin ihm im Jahre 1982 Hoffnungen machte: «Vielleicht sind Sie derjenige, der fündig wird.» Stephens war damals zusammen mit einer Delegation jüdisch-orthodoxer Unternehmer aus den Vereinigten Staaten nach Israel eingeladen worden, um gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten zu beten und gleichzeitig Geschäftsmöglichkeiten im Heiligen Land abzuklären. Der Texaner ist überzeugt, dass dabei der «prophetische Funke» auf ihn übergesprungen ist, dem Land Israel zu Öl zu verhelfen und es aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit zu befreien. Zwei Stunden nach dem Gespräch mit Begin hatte Stephens nämlich erneut eine Offenbarung. Gott wandte sich an ihn und gab ihm exakt an, wo das Öl zu finden sei: beim Berg Sodom, am südwestlichen Ende des Toten Meeres. Weil die grossen Multis aus politischen Gründen davor zurückschrecken, in Israel zu investieren, habe ihn der Allmächtige beauftragt, so ist der Texaner überzeugt, dem auserwählten Volk zu Öl zu verhelfen. Das ganze geopolitische System würde danach für immer und ewig verändert werden. Mit einem Teil des Profits will er sich dem jüdischen Staat gegenüber nützlich zeigen, schwärmt der Baptist: «Ich will den Dritten Tempel aufbauen.»
Ölsucher Stephens ist freilich nicht nur ein gläubiger Christ mit geologischem Know-how. Er ist auch ein pfiffiger Finanzmann und versteht sich darauf, religiöse Rhetorik für seinen Zweck einzusetzen. Seinen Traum kann er bereits mit einer finanziellen Basis von dreissig Millionen Dollar untermauern, die er im Namen Gottes bei Kirchgängern lockergemacht hat. Als finanzieller Hebel für sein heiliges Unterneh-men hat er die in New York kotierte Firma Kit Karson gekauft, deren Kurse seither geradezu himmlisch gestiegen sind. Mit der unschuldigen Begeisterung des Gläubigen sagt der Ölsucher: «In grossen Gemeinden fragen Priester während der Predigt die Gemeinde, ob sie das Projekt unterstützen wollen – sei es mit Geld, sei es mit Gebeten.» Wobei ihm, wie er beteuert, Gebete natürlich wichtiger sind als Dollars. Im Firmenprospekt beschreibt er dennoch – man kann ja nie wissen – auch die schnöde monetäre Seite des Projektes. Aktionäre lockt er aber vor allem mit der Aussicht, Partner in einem Unterneh-men zu werden, in dem Gott Verwaltungsratspräsident ist.

weltwoche.ch