here's the german banking article... an interview with Germany's chief finanacial regulator...
highlight... : yes we gots troubles, but to call it a crisis would be to falsely imply we are on the verge of disaster.
Samstag, 27.7.2002
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SZ-Interview mit Finanzaufseher Jochen Sanio
Hohe Risikovorsorge setzt die Banken unter Druck
Zweifel an der Arbeit der Wirtschaftsprüfer/Intensive Gespräche mit der Bundesbank über Zuständigkeiten
(SZ) – Der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin), Jochen Sanio, sieht die deutschen Banken unter Druck, von einer Bankenkrise will er aber nicht sprechen. Kritik übt Sanio an den Wirtschaftsprüfern. Berechtigte Zweifel an deren Arbeit seien ein großes Problem für die BAFin. Mit der Bundesbank führt Sanio „intensive Gespräche“ über eine Abgrenzung der Zuständigkeiten. Die Bundesbank wollte ursprünglich die Aufsicht bei sich ansiedeln und war gegen die Einrichtung des BAFin, das aus den Aufsichtsämtern für Banken, Versicherungen und Wertpapierhandel hervorgegangen ist.
SZ: Fast täglich gibt es Meldungen über Gewinneinbrüche, Schieflagen und Schließungen von Banken. Steckt Deutschland in einer Bankenkrise?
Sanio: Nein. Das Wort Krise hat den Beigeschmack einer Katastrophe. Eine Krise, also eine Entwicklung, die auf einen gefährlichen Punkt zutreibt und nicht mehr zu kontrollieren ist, haben wir heute nicht. Aber es gibt seit Jahren Negativfaktoren, die sich zuletzt leider verstärkt haben.
SZ: Welche sind das?
Sanio: Die deutschen Banken leiden seit geraumer Zeit unter einer Ertragsschwäche. 2001 war für sie ein schlechtes Jahr, und auch in diesem Jahr, das durch die hoffentlich bald verschwindende Schattenseite des Konjunkturzyklus geprägt ist, bleiben die Banken durch hohe Risikovorsorge weiter unter Druck.
SZ: Aber die Zahl der von Schieflagen und Schließungen betroffenen Banken – Stichwort: Bankgesellschaft, SchmidtBank, Gontard &Metallbank – ist so hoch wie seit langem nicht, so dass viele bereits von einer veritablen Bankenkrise sprechen.
Sanio: Die Beispiele sind Sonderfälle, die nicht repräsentativ für den Zustand des deutschen Kreditgewerbes sind. Ihnen allen war gemeinsam, dass die Schieflagen nicht allein durch steigende Risikovorsorge oder schwindende Erträge, sondern durch gravierende strategische Fehleinschätzungen und auch Managementfehler entstanden sind. Richtig ist allerdings, dass etliche Institute vor der Frage stehen, wie sie sich erfolgreich für die Zukunft aufstellen können, und hierzu Strategien entwickeln.
SZ: Welche Banken meinen Sie?
Sanio: Ich kann an dieser Stelle nicht die Strategiekonzepte einzelner Instituten erörtern. Alle Institute verfolgen das Ziel, schnellstmöglich ihre Rentabilität zu steigern, und zwar deutlich. Wem das nicht gelingt, der zehrt am Ende seine Reserven auf. Mit dem Einsatz von Reserven kann man einmal ein schlechtes Jahr ausbügeln – dazu sind sie schließlich da, aber nicht auf Dauer leben. Die Risikotragungsfähigkeit der deutschen Banken würde sonst Schaden nehmen. Nochmals, wir haben hier keine Krise, selbst wenn man Krise mit Max Frisch als einen „produktiven Zustand“ bezeichnet.
SZ: Wie lange können denn die geschwächten Banken eine schwache konjunkturelle Situation noch durchstehen?
Sanio: Auch wenn ich nicht über prophetische Gaben verfüge, so bin ich doch davon überzeugt, dass das deutsche Bankensystem einiges verkraften kann. Wichtig ist, dass die Banken sich mittlerweile ihrer Probleme bewusst sind und sie mit erfolgversprechenden, teilweise äußerst drastischen Kostensenkungsmaßnahmen angehen. Dabei gibt es keine Tabus. Die „winds of change“ wehen endlich auch mit starken Böen durch das deutsche Bankensystem. Ich finde das sehr positiv.
SZ: Bei fast allen Schieflagen und Pleiten haben die Wirtschaftsprüfer die Abschlüsse der Banken zuvor abgesegnet. Welche Rolle spielen die Prüfer in diesen Krisenzeiten?
Sanio: Eine extrem wichtige. Die BAFin hat keine eigenen Prüfer und ist daher davon abhängig, dass die Informationen externer Wirtschaftsprüfer zutreffend sind. Die Tatsache, dass es in jüngster Zeit spektakuläre Fälle gegeben hat, aufgrund derer berechtigte Zweifel an der Arbeit der Jahresabschlussprüfer entstanden sind, ist deshalb ein großes Problem für uns.
SZ: Wie wollen Sie dieses Problem in den Griff bekommen?
Sanio: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, hier Abhilfe zu schaffen, einige sind aber nur Theorie. Eine starke Lösung wäre es, wenn die Aufsicht zumindest in Problemfällen eigene Amtsprüfer einsetzen könnte – wie im Ausland durchaus üblich. Aber dieser Ansatz wird sich hierzulande kurz- und mittelfristig nicht verwirklichen lassen, denn bei der Einführung der Bankenaufsicht in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden die Weichen anders gestellt. Seitdem besteht ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Bankenaufsicht und Wirtschaftsprüfern, das nicht über Nacht auflösbar ist.
SZ: Welche anderen Möglichkeiten gibt es denn dann noch?
Sanio: Um eine gleichmäßig hohe Qualität bei den Prüfungsberichten und bei den Unternehmensabschlüssen zu gewährleisten, könnten bestimmte Maßnahmen ergriffen werden. Die Spannweite reicht von einer Verschärfung der persönlichen Haftung über strafrechtliche Sanktionen bis hin zu einer berufsständischen „Gerichtsbarkeit“, die nicht vom Berufsstand selbst ausgeübt wird. Vielleicht könnte es insoweit auch eine Rolle für die BAFin geben.
SZ: Um die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten und krisenhaften Entwicklungen vorzubeugen, ist auch eine stärkere grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden nötig. Für die EU liegen konkrete Pläne vor, die das durch Koordinationsausschüsse erreichen wollen. Die Notenbanken, die keine Aufsichtsbefugnisse haben, beziehungsweise die Europäische Zentralbank (EZB) sollen dabei außen vorbleiben. Was halten Sie von diesen Plänen?
Sanio: Dies ist eine absolut überzeugende Lösung. Die EZB muss zeitnah über bedenkliche Entwicklungen im Bankensystem informiert werden – das steht außer Frage und ist bereits zufriedenstellend geregelt. Aber die Finanzaufsicht darf bei ihr nicht angebunden sein. Es ist vorgesehen, dass ein neues Koordinierungsgremium der Bankenaufseher dem Rat der Finanzminister, dem Ecofin, unterstellt wird. Das ist richtig. Bei einem Krisenfall europäischer Dimension springt ja auch nicht die Notenbank ein, sondern der nationale Steuerzahler.
SZ: In Deutschland ist die Bundesbank, die zunächst für eine Bankenaufsicht unter ihrem Dach gekämpft hat, in die neue Allfinanzaufsicht eingebunden. Wie gestaltet sich denn die Arbeitsteilung zwischen BAFin und Bundesbank?
Sanio: Beide stehen vor der Aufgabe, unter sich zu einer klaren Zuständigkeits- und Aufgabenverteilung zu kommen. Dabei gilt es, die Stärken beider Institutionen optimal zur Geltung zu bringen und Doppelarbeit zu vermeiden.
SZ: Und wie lösen Sie diese Aufgabe?
Sanio: Wir sind intensiv im Gespräch und haben den festen Willen, uns so schnell wie möglich auf eine vernünftige Abgrenzung zu einigen.
SZ: Über welche Punkte streiten Sie?
Sanio: Wir streiten uns nicht. Unterschiedliche Auffassungen in einzelnen Punkten werde ich nicht in der Presse diskutieren. Das Gesetz über die BAFin ist in dem Punkt der Kompetenzverteilung im Entwurfsstadium mehrfach geändert worden. Daraus ergibt sich ein gewisser Interpretationsbedarf.
SZ: Was passiert, wenn Sie sich nicht einigen?
Sanio: Ein solch unschönes Ergebnis schließe ich aus. Sollte uns dennoch eine Einigung nicht gelingen, müsste das Bundesfinanzministerium die Schiedsrichterrolle übernehmen. Da wir uns dem Gedanken des Fairplay verpflichtet fühlen, bin ich aber fest davon überzeugt, dass wir keinen Schiedsrichter benötigen.
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